Touched: Süchtig nach dir. Lea Mayance
eigentlich nicht hierher gehörte.
Ein Page kam, nahm ihr Gepäck und bat sie, ihm zu folgen. Sie fuhren mit dem Aufzug in den fünften Stock und gingen dann einen Gang entlang. Der Page öffnete eine der vielen Türen und ließ ihr den Vortritt. Das Zimmer war luxuriös und im charmanten Stil der 1920er-Jahre gehalten. Eine wundervolle Stuckdecke harmonierte mit einer gelb-in-gelb gestreiften Tapete. Kleine grüne Sessel verliehen dem Ganzen Gemütlichkeit und passten hervorragend zu den Möbeln und Türen, die in dunklem Holz gehalten waren. Ja, hier wird es sich die nächsten zwei Tage aushalten lassen, dachte Greta.
»Mr. O’Bannion ist nebenan«, sagte der Page und deutete auf eine Verbindungstür zum Nachbarzimmer. Sie gab ihm fünf Euro und dankte ihm. Der Mann ging hinaus und ließ sie allein.
Ihr Herz begann schneller zu schlagen, sie war aufgeregt. Sie rieb die feuchten Hände aneinander und überlegte, ob sie anklopfen sollte. In diesem Moment hörte sie jedoch bereits ein leises Klopfen an der Zwischentür.
Sie öffnete … und da stand er … in verwaschenen Jeans und T-Shirt. Er passte in seinem Outfit überhaupt nicht in diese noblen Räume. Irgendwie erleichterte sie das.
»Da bist du ja«, sagte er leise und lächelte sie an.
Sie lächelte ebenfalls, nickte und schaute verlegen zur Seite. Ein wenig hatte sie Angst vor dieser Begegnung gehabt, denn eigentlich waren sie Fremde. Wie sollte sie ihn begrüßen?
Aber Connor fasste sie einfach an den Händen und küsste sie wie selbstverständlich auf die Wange, wie er es beim Abschied vor dem Hyatt getan hatte. »Gefällt dir dein Zimmer?«
»Es ist grandios.« Sie schaute sich um.
»Es freut mich, dass es dir gefällt. Hattest du eine gute Reise?«
»Ja, es hat alles prima geklappt.«
»Wenn du dich erst ein bisschen ausruhen willst …«
»Nein, nein«, beeilte sie sich zu sagen, »ich möchte etwas von der Stadt sehen.«
»Gut, dann gehen wir los, wenn du so weit bist.«
Als Greta mit dem Auspacken ihres Koffers begann, ließ er sie allein.
Nach einer Weile kam er mit seiner Jacke über dem Arm, seiner Kappe und der Ray-Ban in der Hand zurück. Er setzte sich auf das Bett und schaute ihr dabei zu, wie sie die letzten Teile im Schrank aufhängte. Sie spürte seine Blicke im Rücken und fühlte sich dabei nicht gerade wohl. Sie musste an ihr Gespräch im Café denken. Männer schauen Frauen ständig an … Wo schaute er jetzt hin?
Sie drehte sich um und sah ihm direkt in die blaugrünen Augen. Er zog die Augenbrauen hoch und setzte einen unschuldigen Blick auf.
»Äh, ich bin so gut wie fertig. Wo wollen wir als Erstes hingehen?«, fragte sie, um ihn von sich abzulenken.
»Zuerst zum Brandenburger Tor, das ist hier gleich vor der Tür.« Es klang lustig, wie er mit seinem amerikanischen Akzent Brandenburger Tor aussprach.
»Ist mir nicht entgangen«, antwortete Greta und zog einen Mundwinkel nach oben.
»Dann dachte ich an den Reichstag, das Charlottenburger Schloss und die Ruine der Gedächtniskirche. Wir können den Fernsehturm hinauffahren und Berlin von oben betrachten. Und die Museumsinsel soll sehr interessant sein.«
»Stopp! Das schaffen wir niemals alles«, stöhnte sie und lachte.
»Ich möchte aber noch zur East Side Gallery. Da steht noch ein Teil der alten Berliner Mauer mit vielen Graffiti.«
»Das klingt ja nach Stress.« Greta seufzte.
»Was dachtest du denn?«, entgegnete Connor lachend. »Wir wollen hier doch kein gemütliches Wochenende verbringen.«
»Eigentlich hatte ich mir genau das vorgestellt.«
Sie beschlossen, die Gegend zunächst zu Fuß zu erkunden. Das Wetter spielte mit: Es war sonnig und für das Berliner Klima ziemlich warm für die Jahreszeit. Sie traten aus dem Hotel und mussten nur ein paar Schritte gehen, bis sie vor dem Brandenburger Tor standen.
»Es handelt sich um ein klassizistisches Bauwerk, das Ende des achtzehnten Jahrhunderts erbaut worden ist«, las Connor aus einem englischen Reiseführer vor, den er im Hotel ausgeliehen hatte.
»Was hältst du davon, eine Stadtrundfahrt zu machen?«, schlug sie vor und zeigte auf einen Touristenbus, der direkt hinter dem Brandenburger Tor angehalten hatte.
»Gute Idee«, stimmte Connor zu.
Sie stiegen in den roten Hop-on/Hop-off-Bus und setzten sich im oberen offenen Deck in die letzte Reihe. Connor überließ Greta den äußeren Platz, lehnte sich entspannt zurück und legte den Arm auf Gretas Sitzlehne. Ihn so nah neben sich zu spüren, machte sie nervös.
Die englischsprachige Bustour brachte sie zu einem Teil der vielen Highlights, die Berlin zu bieten hatte. Greta liebte es eigentlich, Städte zu Fuß zu erkunden, ihren Puls zu spüren, in sie einzutauchen. Aber mit Connor war die Bustour genau das Richtige. So konnte sie sich einerseits auf die Sehenswürdigkeiten konzentrieren, die sie das erste Mal live sah, und gleichzeitig Connor ihre Aufmerksamkeit schenken. Während sie durch das Regierungsviertel und Berlin-Mitte gefahren wurden, diskutierten sie eine Weile darüber, ob die Melange aus alten und modernen Gebäuden wirklich gelungen war. Dann bog der Bus auf die beliebteste Flaniermeile der Berliner ab, den dreieinhalb Kilometer langen Kurfürstendamm, und fuhr langsam an den prachtvollen Gebäuden vorbei. Der Ku’damm war die Hauptschlagader der Stadt, hier hatten einst die Superreichen des Kaiserreiches gelebt, erfuhren Connor und Greta aus dem Lautsprecher. Im Kontrast dazu zeigte sich der Potsdamer Platz mit seinen markanten Hochhäusern, den sie anschließend ansteuerten. Als der Bus stoppte, stiegen Connor und Greta aus, um sich die futuristische Architektur des Sony Centers mit dem spektakulären Dach, das an eine Blume erinnert, anzuschauen, in einem der Cafés einen Espresso zu trinken und sich die Füße zu vertreten.
Sie nahmen einen der nächsten Hop-on/Hop-off-Busse und fuhren am Checkpoint Charlie vorbei zum Gendarmenmarkt. Greta merkte, dass Connor nicht mehr bei der Sache war, und ihr ging es ähnlich. Außerdem drehte sich eine Frau immer wieder zu ihnen um und musterte sie neugierig, was Greta unangenehm fand. Connor schien es ähnlich zu gehen.
Als sie schließlich zum Alexanderplatz kamen, stand Greta die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Er präsentierte sich als urbaner Ort, der offensichtlich alle Bausünden der Nachkriegszeit in sich vereinte. Der Bus hielt am Fernsehturm und Connor schlug vor, nochmals auszusteigen. Greta nickte zustimmend.
Als sie auf der Straße standen, zeigte er auf den Aussichtsturm und sagte: »Lass uns hochfahren und den Ausblick genießen.«
Sie mussten nicht allzu lange anstehen und niemand in der Menge nahm Notiz von ihnen. Als sie an der Reihe waren, fuhren sie die über zweihundert Meter mit dem Aufzug in nur vierzig Sekunden nach oben. Auf der Panoramaplattform liefen sie einmal rundherum und schauten hinunter auf die Stadt, die sich unendlich auszudehnen schien. Der Ausblick war magisch.
»Komm, ich mache ein paar Fotos von dir«, sagte Connor und zückte sein Handy.
»Oh nein, bitte nicht!«, lachte Greta.
»Na los, stell dich da hin«, dirigierte er sie in die richtige Position.
Er knipste sie ein paarmal und kam dann zu ihr, um sich neben sie zu stellen. Dann schoss er ein paar Selfies von ihnen zusammen. Er neigte sich zu ihr und Greta erkannte den Duft seines Eau de Toilette wieder. Sie atmete tief ein, um ihn besser in sich aufzunehmen, und genoss den männlichen Duft. Wie gut er riecht, dachte sie insgeheim.
Nach einer Weile in zugiger Höhe wollte Greta gern etwas trinken. Sie hatten Glück und bekamen in dem Restaurant, das eine Etage über der Panoramaplattform lag, einen Fensterplatz. Sie bestellten zwei Espresso und Wasser und hatten zum ersten Mal die Gelegenheit, völlig ungestört miteinander zu reden.
»Und, wie war deine Woche?«, begann Greta unverfänglich ein Gespräch.
»Viele