Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström

Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström


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und ein Pferdepfleger stiegen aus dem Wagen, und Karin kam aus dem Stall, gefolgt von einem Schwarm Mädchen. Alle versammelten sich neugierig im Halbkreis um das Transportauto, während die beiden Männer die Laderampe anlegten.

      „Wohin soll ich sie bringen?“ fragte der Pferdepfleger, ehe er im Anhänger verschwand.

      „In die erste Box auf der rechten Seite“, erwiderte Karin. „Geht jetzt zur Seite, Mädels, damit wir Platz haben.“

      Der Halbkreis vergrößerte sich widerwillig. Der Pferdepfleger tauchte wieder auf und führte eine schlanke Schimmelstute mit sich. Sie schritt würdevoll wie eine Königin über die Laderampe, wandte den Kopf nach rechts und links und sah sich in der neuen Umgebung um. Ihre Ohren bewegten sich unablässig vor und zurück.

      Aber sie ist kein bißchen ängstlich oder nervös, dachte Petra, nur lebhaft und interessiert.

      Ohne Zögern ging die Schimmelstute mit geschmeidigen Schritten in den Stall. Karin, Petra, Klaus und die Mädchen folgten ihr und beobachteten sie genau.

      „Wie heißt sie?“ fragte Petra nach einer Weile.

      „Polly“, erwiderte Karin. „Sie ist vier Jahre alt und kommt direkt von der Rennbahn.“

      Als Fahrer und Pferdepfleger wieder abgefahren waren, verteilte Karin die Pferde für die Stunde.

      „Darf ich Ballade reiten?“ fragte Rosemarie.

      „Ja, meinetwegen. Klaus, du kannst heute Rex nehmen.“

      „Nicht Polly? Das wäre viel spannender“, meinte Klaus.

      „Nein, ich möchte lieber, daß Petra sie ausprobiert.“ Karin wandte sich nun an die beiden Jüngsten in der Gruppe. „Und ihr nehmt Puppe und Troll. Fangt jetzt gleich an, die Pferde zu satteln. Polly bekommt den Sattel mit dem blauen Woilach, der ganz hinten im Sattelraum hängt.“

      Polly nickte nicht gerade begeistert, doch Petra ging entschlossen in die Box und legte ihr den Sattel sanft auf den Rücken. Die Trense paßte nicht richtig; sie mußte etwas mehr festgezogen werden. Die Schimmelstute ließ es ruhig mit sich geschehen, doch als Petra den Sattelgurt nachziehen wollte, zuckte das Pferd zurück.

      Petra faßt den Gurt fester und begann zu ziehen. Plötzlich sah sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung und streckte unwillkürlich schützend den Ellbogen vor. Dabei stieß sie gegen die Vorderzähne der Stute.

      „Ach, du hast es also nicht gern, wenn man den Sattelgurt anzieht?“ fragte Petra, während sie den Riemen langsam enger spannte.

      Polly versuchte auszuweichen. Sie hatte die grauschimmernden Ohren zornig zurückgelegt. Nun schnappte sie in die Luft, versuchte jedoch nicht noch einmal, Petra zu beißen.

      Kurz darauf gingen die fünf Pferde langsam um die Reitbahn, und Petra freute sich an den langen, geschmeidigen Schritten der neuen Stute.

      „Dürfen wir heute auch springen?“ fragte Klaus.

      „Bestimmt nicht, solange du keine Reitkappe aufgesetzt hast“, sagte Karin. „Wenn du dir nicht selbst eine kaufen willst, leihe ich dir die meine. Aber heute wird nicht gesprungen.“

      Petra merkte bald, daß Polly nicht Dressurreiten konnte. Sie wirkte noch recht untrainiert, war jedoch gehorsam und leicht zu reiten. Dagegen legte die Stute jedesmal die Ohren zurück, wenn ihr eines der anderen Pferde zu nahe kam.

      „Das hat ja richtig gut geklappt, Petra“, sagte Karin nach der Reitstunde. „Wenn Polly sich erst eingewöhnt hat, wird sie bestimmt recht brauchbar sein.“

      „Wollen wir zum Kiosk fahren und Eis kaufen?“ rief Klaus dazwischen.

      „Ich möchte schon, aber ich muß leider sofort nach Hause“, erwiderte Petra. „Astrid kommt; sie hat heute ihre Reitstunde.“

      „Astrid? Wer ist das?“

      Petra sah ihn verdutzt an. Sie meinte, ihm schon von Astrid erzählt zu haben. Täuschte sie sich, oder hatte er es bereits wieder vergessen?

      „Astrid ist ein blindes Mädchen, dem ich auf Svala Reitunterricht gebe.“

      „Ach so. Aber hast du’s so eilig? Sie kann doch sicher ein bißchen warten.“

      „Nein, ihre Mutter bringt sie im Auto her, und da müßten sie ja beide warten.“

      „Na ja, dann vielleicht ein andermal.“

      „Ja, gern. Tschüs, ich muß jetzt los!“

      Als Petra zu Hause eintraf, waren die Johansons bereits gekommen. Petra fand die Schwestern am Zaun der Kälberweide, wo sie Svala mit Karotten fütterten.

      „Darf ich Svala zum Stall führen?“ fragte Astrid.

      Beim Gedanken an die bevorstehende Reitstunde hatte Astrid wieder einmal ein seltsam flaues Gefühl im Magen. Sie liebte es, das Pony zu striegeln und es zu satteln, doch das Reiten selbst … Immer wieder sagte sie sich, daß es kein bißchen gefährlich sei, doch es half nichts. Sie ritt gern, schaffte es aber nie, sich dabei richtig sicher zu fühlen. Weshalb konnte sie nicht wie Lena sein, die sich beim Reiten nie fürchtete? Dabei ritt sie auf viel größeren Pferden als Svala und war schon zweimal gestürzt.

      Diesmal schlug Petra vor, daß Astrid Leichttraben üben sollte.

      „Das mußt du können, wenn du ausreitest“, erklärte sie.

      „Ausreiten? Glaubst du, daß ich das jemals schaffen kann?“ fragte Astrid.

      „Ja, das glaube ich. Svala würde sicher einfach dem vorangehenden Pferd folgen. Aber zuerst mußt du galoppieren lernen.“

      Von diesem Tag an hatte Astrid ein bestimmtes Ziel, für das sie arbeitete. Wenn sie es schaffte, bei einem Ausritt mitzumachen, würde sie sich nicht länger wie eine Anfängerin fühlen. Es kam ihr wie eine Art Prüfung vor.

      Astrid strengte sich nun fast noch mehr an als vorher, und Petra gab sich große Mühe, ihr alles zu erklären. Sie konnte ihr ja nicht zeigen, wie man es machte.

      Glücklicherweise war Svala brav und willig. Das Pony versuchte nie, Astrid abzuwerfen, doch eines Tages fiel das blinde Mädchen trotzdem vom Pferd. Das war, als sie zum erstenmal galoppieren sollte.

      „Eigentlich sitzt man besser im Galopp als im Trab“, sagte Petra, nachdem sie die Galopphilfen erklärt hatte. „Versuch es jetzt einmal. Treib Svala ein bißchen an, damit sie aufwacht. Nein, zieh die Zügel nicht noch straffer an! Das ist überhaupt nicht notwendig – so furchtbar schnell geht es ja nicht. Beug dich nicht vor. Der äußere Schenkel liegt hinter dem Gurt! Ja, so!“

      Die kurzen Stöße verschwanden, und Astrid kam es vor, als würde sie auf Wolken schaukeln. Sie galoppierte, und es war, als flöge sie! Berührten die Hufe wirklich den Boden? Es war ein ganz neues und herrliches Gefühl, doch sie konnte es nicht lange auskosten, da Svala das Tempo plötzlich verringerte und das weiche Schaukeln wieder von den harten Stößen des Trabes abgelöst wurde.

      „Na, jetzt hast du aber geträumt!“ Petra lachte. „Du mußt sie antreiben, sobald sie langsamer wird. Versuch’s noch einmal!“

      „Oh, das war herrlich!“

      Svala fiel wieder in Galopp, und Astrid versuchte sie weiter anzutreiben. Doch sie war noch nicht an den Rhythmus des Galopps gewöhnt und verlor den einen Steigbügel. Svala drehte ruhig und gesittet eine Runde, doch dann setzte es sich das Pony plötzlich in den Kopf, daß es quer durch die Bahn abkürzen könnte, statt die Ecken ordentlich durchzureiten.

      Astrid war völlig unvorbereitet, als Svala unvermittelt aus der Viereckspur ausbrach. Sie glitt im Sattel zur Seite, verlor den Halt – und fiel mit einem Plumps zu Boden!

      Reitausflug mit Hindernissen

      „Hast du dir weh getan?“ rief Petra erschrocken.

      Astrid


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