Handbuch Bio-Gemüse. Verein Arche Noah
die kollektiven Rechte lokaler Gemeinden und Gemeinschaften und die Saatgutsouveränität der Bauern und Bäuerinnen anerkennen, als auch die globale wechselseitige Abhängigkeit unterschiedlicher Kulturen und Nationen berücksichtigen.“
Quelle: www.arche-noah.at und im Englischen Original www.navdanya.org.
Weiterführende Literatur:
• Heistinger, Andrea 2008: „Wenn der Samen nicht mehr keimt, hat er keine Seele mehr“. Fruchtbarkeit von Kulturpflanzen im Kontext bäuerlicher und professioneller Pflanzenzüchtung. In: Gottwald, Franz-Theo et al.: Fruchtbarkeit unter Kontrolle? Zur Problematik der Reproduktion in Natur und Gesellschaft, Frankfurt
• Robinson, Raoul 1996: Return to Resistence. Breeding Crops to Reduce Pesticide Dependence, Davis, California
• Kunz, Peter 2002: Gesunde Kulturpflanzen – eine Herausforderung, Hornbrechtikon (siehe auch www.peter-kunz.ch)
Über den Boden
Pflanzen wurzeln im Boden. Das ist zunächst nichts Neues. Doch wie intensiv Pflanzen den Boden bewurzeln, wie intensiv ihr Austausch mit dem „Organismus Boden“ ist, das ist entscheidend für ein gesundes und frohes Wachstum, gerade im biologischen Hausgarten. Im Verständnis des biologischen Landbaus ist der Boden nicht einfach nur ein Standort. Die Beschaffenheit des Bodens, seine Eigenschaften, sei es die über viele Jahrhunderte und Jahrtausende entstandene Bodenart, aber auch Eigenschaften, die wir als Gärtnerinnen und Gärtner durch unsere Kulturmaßnahmen direkt herstellen, all dies beeinflusst das Gedeihen der Kulturpflanzen. Boden und Pflanzen stehen in einer engen Beziehung. Aus diesem Grund ist dem Thema Boden und der Pflege des Bodens in diesem Buch ein umfangreiches Kapitel gewidmet.
Vielerorts gehen Böden verloren: Sie werden versiegelt, zu Straßen und Bauland umgewandelt. Auch in der konventionellen Landwirtschaft gehen Böden verloren. In den letzten 50 Jahren – seit die Intensivlandwirtschaft großflächig Einzug gehalten hat – ist weltweit rund ein Drittel der fruchtbaren Ackerböden verloren gegangen. Seit der weltweiten Einführung des Kunstdüngers vor ca. 50 Jahren sind die Humusgehalte in den Ackerböden um 7 % (!) zurückgegangen, wobei am Beginn des Kunstdüngereinsatzes der jährliche Humusabbau am höchsten war. Aus der Klima-Perspektive kann man sagen, dass die Bodenerosion zu den wichtigen CO2-Verursachern gehört – ein Teil des Humus wird zu CO2veratmet. Umgekehrt steigert der biologische Landbau die Humusgehalte im Boden und bindet somit wieder CO2, doch dazu später.
Aus dem Organismus Boden wurde in den letzten Jahrzehnten faktisch, sprachlich und metaphorisch ein Standortfaktor, durch Verdichtung mit schweren Maschinen haben Bodenorganismen nicht genügend Luft zum Atmen, durch die Einbringung von leichtlöslichen Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln wird das Bodenleben immer wieder ge- oder zerstört. Die Folgen sind hohe Belastungen der Oberflächen- und Sickerwässer mit unerwünschten Stoffen, reduzierte Humusgehalte, verdichtete Böden, Erosion durch Wind und Wasser. Auf solchen leblosen Böden sind Pflanzen darauf angewiesen, mit leichtlöslichen Nährstoffen (Mineraldünger) versorgt zu werden. In lebendigen Böden mit einem hohen Humusanteil ist ein ständiger Nährstoff-Kreislauf im Gang und Pflanzen können durch Wurzelausscheidungen die Freisetzung von Nährstoffen auch selbst steuern. Pflanzen können mit dem Organismus Boden kommunizieren – vorausgesetzt, es ist da jemand, der sie „hört“. Pflanzen können vielfältige Signale absenden. Der junge Forschungszweig der Biokommunikation ist in diesen Fragen gerade in den letzten Jahren zu ganz erstaunlichen Erkenntnissen gekommen. Doch Pflanzen können diese Fähigkeit auch wieder „verlernen“, sie werden stumm und werden abhängig von der Gärtnerin und dem Gärtner. Ein Beispiel ist die Maispflanze. Ein in Europa neuer Schädling, der im Erwerbs-Maisanbau seit einigen Jahren zu einem großen Problem wurde, ist der Maiswurzelbohrer. Forscher aus der Schweiz konnten nun nachweisen, dass Maispflanzen, wenn sie von den Larven des Maiswurzelbohrers angeknabbert werden, Signal-Lockstoffe erzeugen, mit denen sie die natürlichen Feinde ihres Schädlings anlocken: Nematoden. Sie wiesen auch nach, dass Mais-Hochleistungssorten diese Fähigkeit verloren haben. Sie können nicht mehr mit ihrer Umwelt kommunizieren und sich damit selbst helfen. Ein anderes Beispiel ist die Limabohne. Sie erkennt am Speichel der Insekten, ob sie von Spinnmilben oder Raupen angeknabbert wird. Sind es Spinnmilben, sendet sie spezielle Duftstoffe, mit denen sie die natürlichen Feinde der Spinnmilben herbeilockt: die Raubmilben. Wird sie von Raupen angeknabbert, lockt sie mit einer etwas anderen Parfumvariante einen Feind der Raupen herbei: Schlupfwespen. Anders gesagt: Pflanzen sind sensibel und kommunikativ. Pflanzen, die über viele Jahre in lebendigen Böden kultiviert werden, sind selbst lebendiger, können bei einem Befall mit Krankheiten oder Schädlingen Hilfe herbeirufen, können die Nährstoffe, die sie gerade brauchen, im Boden selbst mobilisieren. Das mag alles ein wenig nach Zauberei klingen. Doch Menschen, die seit vielen Jahren und Jahrzehnten biologisch wirtschaften, bestätigen diese Erfahrungen und sehen sich umgekehrt durch die Erkenntnis der Forschungen aus der Pflanzenkommunikation bestätigt. Eine dieser Erfahrungen ist, dass in neu angelegten, biologisch bewirtschafteten Gärten, die Erträge von Jahr zu Jahr besser werden und die Pflanzen von Jahr zu Jahr weniger Pflege und Aufmerksamkeit brauchen. Gerade in Hausgärten haben wir Spielräume – jenseits eines unmittelbaren ökonomischen Verwertungszwangs. In Hausgärten wurden einerseits viele biologische Bewirtschaftungsmethoden bewahrt, andererseits entstehen in Hausgärten immer wieder neue Methoden des biologischen Gärtnerns.
Gelockerter Boden
Bodenarten und Bodeneigenschaften
Der Boden ist eine Art Grenzschicht zwischen luftiger Atmosphäre und festem Gestein. Luft und Licht, Wärme und Wasser sowie die Ausgangsgesteinsart sind die Grundelemente der Bodenbildung. Unter bestimmten Klimabedingungen entstehen charakteristische Bodentypen.
Böden, die durch langjährige, oft jahrzehntelange, intensive und einseitige Bewirtschaftung vom Organismus Boden zum Standortfaktur Boden wurden, können durch biologische Bewirtschaftung auch „wiederbelebt“ werden. Das ist eine der guten Nachrichten, für alle, die auf einem zunächst unwirtlichen Stück Land zu gärtnern anfangen.
Biologisch gärtnern heißt den Boden pflegen
Einfach gesagt, ist der Boden die oberste Schicht der Erde. Wie eine dünne Haut überzieht der Boden den Globus. Diese Haut ist lebendig und wandelbar, sie ist ein lebendiger Organismus. Je stärker der Boden belebt ist, umso wohler fühlen sich Kulturpflanzen, umso besser gedeihen sie. Die obersten 10–30 cm dieser Haut sind die so genannte Humusschicht, der Mutterboden. Die oberste Bodenschicht entstand über viele Jahrtausende und kann bei falscher Bewirtschaftung innerhalb kürzester Zeit zerstört werden, vor allem, wenn der Boden so bewirtschaftet wird, dass das Bodenleben ständig gestört wird – durch den Einsatz von schweren Geräten, durch chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Herbizide, durch leichtlösliche Mineraldünger und durch Monokultur, die die Böden einseitig auslaugt. Diesen Mutterboden können wir direkt durch Kulturmaßnahmen beeinflussen: Warmer, lockerer, nährstoffreicher Humus ist der Traum jeder Kulturpflanze und damit jeder Gärtnerin und jedes Gärtners. Dieser humusreiche Gartenboden wird durch biologisches Gärtnern von Jahr zu Jahr mehr. Und: Humusreiche Böden sind in der Lage, Regenwasser und Nährstoffe zu speichern.
Biologisch gärtnern heißt jedoch mehr als einfach „ohne Chemie“ zu gärtnern, vor allem in der Düngungs-Strategie und in der Form des Pflanzenschutzes unterscheidet